Blogserie zu den eidg. Abstimmungsvorlagen vom 9. Juni 2024, Teil 3: Wirksame Rezepte für ein nachhaltig finanziertes Gesundheitswesen - Interpharma

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8. Mai 2024

Blogserie zu den eidg. Abstimmungsvorlagen vom 9. Juni 2024, Teil 3: Wirksame Rezepte für ein nachhaltig finanziertes Gesundheitswesen

Das Gesundheitswesen soll leistungsfähig und finanzierbar bleiben. Die Volksinitiativen, die am 9. Juni zur Abstimmung vorliegen, begegnen diesen Herausforderungen aber mit untauglichen Ansätzen. Vor allem zeigen die Vorlagen auf, dass die Politik sich schwer damit tut, mit der nötigen Weitsicht zu agieren. Ein Plädoyer für einen gesamtheitlichen Ansatz und ein zukunftsfähiges Gesundheitswesen.

von Dr. René P. Buholzer, CEO Interpharma

In den ersten beiden Teilen dieser Blogserie habe ich aufgezeigt, warum die Kostenbremse-Initiative und die Prämien-Entlastungs-Initiative die Herausforderungen bei der Finanzierung des Gesundheitswesens nicht lösen können. Doch woher sollen dann taugliche Rezepte kommen? Und damit komme ich zur guten Nachricht: Es gibt solche! Wichtig dabei ist ein ganzheitlicher Ansatz und eine gewisse Weitsicht. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, nenne ich die fünf folgenden Punkte:

1. EFAS

Die einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Gesundheitsleistungen (kurz: EFAS) ist eine ganz konkrete Massnahme, die das enorm (über-)regulierte Gesundheitswesen etwas entflechtet, weit verbreitete Fehlanreize reduziert und schliesslich zu grossen Kosteneinsparungen in Milliardenhöhe führen wird – ohne, dass die Qualität des Gesundheitswesens darunter leidet. Gegen den Parlamentsbeschluss zu EFAS wurde das Referendum ergriffen, das auch zustande kam. Ein breite Allianz aus 22 Organisationen aus dem gesamten Gesundheitswesen stellt sich den Referendumsführern entgegen und unterstützt, was das Parlament beschlossen hat. Auch Interpharma ist Teil der Allianz. Nun ist es wichtig, dass dieses wirkungsvolle Instrument 15 Jahre (!) nach dem ersten Vorstoss im Parlament von der Stimmbevölkerung angenommen wird – es dürfte dieses oder kommendes Jahr zur Volksabstimmung kommen.

2. Digitalisierung!

Die Digitalisierung bietet ein enormes Potenzial für Innovation und für Effizienzsteigerungen. Laut einer McKinsey-Studie[1] könnten damit über 8 Milliarden Franken jährlich oder rund 12% der Gesundheitsausgaben eingespart werden – wenn die Digitalisierung denn endlich in Fahrt käme, denn die vergangenen 20 Jahre wurden schlichtweg verschlafen. Die Schweiz liegt darum in punkto Digitalisierung im internationalen Vergleich heute auf den hinteren Rängen. Ein zentraler Bestandteil für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens liegt im Aufbau einer landesweiten digitalen Infrastruktur. Erst eine solche Infrastruktur ermöglicht die nahtlose Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen allen Leistungserbringern sowie den Patientinnen und Patienten. Das Programm DigiSanté des Bundesrates geht diese Punkte an und legt so die Grundlage für das Gesundheitsdatenökosystem. Interpharma unterstützt deshalb den Verpflichtungskredit für DigiSanté. Denn: Die digitale Transformation trägt dazu bei, Bürokratie abzubauen, Effizienzen zu steigern, die Qualität zu verbessern und nachhaltig die Kosten einzudämmen. Das kommt der Bevölkerung und allen Akteuren im Gesundheitswesen zugute.  Der Bund hat es in der Hand, hier aufs Gas zu drücken und wird von Interpharma und zahlreichen weiteren Akteuren im Gesundheitswesen unterstützt. Es ist zu hoffen, dass er nicht noch einmal 20 Jahre verschläft.

3. Qualitätswettbewerb verstärken

Aktuelle Diskussionen zum Gesundheitssystem machen deutlich, dass es keinen Qualitätswettbewerb gibt – zwar haben wir ein sehr gutes Gesundheitswesen, mit dessen Leistungen die Leute grundsätzlich zufrieden sind. Aber: Die Regulierung nimmt überhand und das führt naturgemäss zu Interessenskonflikten und Fehlanreizen. Das hat insbesondere damit zu tun, dass es in der Schweiz heute keine etablierte, standardisierte Messung der Qualität von Gesundheitsleistungen gibt. Als Beispiel können die Spitäler dienen: Die Spitaldichte in der Schweiz ist eine der weltweit höchsten, aber wer in welchem Feld besonders gute (oder schlechte) Arbeit leistet, ist eine Blackbox. Eine konsequente Qualitätsmessung – und zwar nicht nur über eine einzelne Behandlung, sondern über den gesamten «Patientenpfad» hinweg – würde dazu beitragen, den Wettbewerb zu stärken, die Qualität noch zu verbessern und schlechte oder unnötige Angebote einzusparen, was auch im Sinne der Prämienzahler ist.

Im Grunde wird die Qualität heute nur bei Medikamenten (zu recht) sehr genau überprüft und verglichen. Das sollte aber auch bei allen anderen Leistungen der Fall sein. Voraussetzung für einen solchen Qualitätswettbewerb ist ein Gesundheitsdatenökosystem in der Schweiz mit klaren Regeln und klarer Governance.

4. Innovation ermöglichen statt verhindern

In einem ganzheitlichen Gesundheitswesen haben alle Akteure die Verantwortung, dazu beizutragen, dass das System nachhaltig finanzierbar bleibt. Die Pharmaindustrie nimmt diese Verantwortung wahr wie keine andere Branche und trägt Einsparungen in Milliardenhöhe für das Gesundheitswesen mit. Die seit 2012 verfügten jährlichen Preissenkungen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) tragen zu jährlich wiederkehrenden Einsparungen von über 1.5 Milliarden Franken bei den Medikamenten bei, und dies ist eines von vielen Beispielen.

Tatsache ist: Innovationen haben ihren Preis. Aber sie eröffnen enorme Möglichkeiten können zu grossen Effizienzsteigerungen führen. Man denke an die heutigen Smartphones. Dasselbe gilt aber zum Beispiel auch für innovative Medikamente. Sie können die gesellschaftlichen Kosten von Krankheiten – und somit die Kosten fürs Gesundheitssystem und die Allgemeinheit – reduzieren. Konkret zeigt eine Studie der Columbia University[2], dass Arzneimittelinnovationen in der Schweiz die Sterblichkeit reduzieren, Krankenhausaufenthalte senken und zu grossen Einsparungen im Gesundheitswesen führen. Dafür ist es aber nötig, die gesamtgesellschaftliche Rechnung zu machen, anstatt nur die Ausgaben für Medikamente isoliert anzuschauen – und den politischen Rahmen so zu setzen, dass er innovationsfreundlich bleibt. Denn wenn die politischen Stellschrauben übertrieben angezogen werden, kann das dazu führen, dass forschende Pharmaunternehmen ihre Produkte nicht mehr kostendeckend auf dem kleinen Markt Schweiz (0.52% des globalen Markts) anbieten können.

5. Zu guter Letzt: Zusammenarbeit statt Silo-Denken und ideologische Schützengräben

Das Schweizer Gesundheitswesen ist historisch gewachsen und deshalb, aber auch aufgrund der starken Regulierung, sehr komplex. So einfach wird sich das nicht auflösen lassen. Aber das Mindset muss sich ändern: Wir alle sitzen im gleichen Boot und sollten am selben Strick ziehen. Gesellschaft und Politik müssen eine gesamtheitliche und nachhaltige Gesundheitsstrategie für unser Land entwickeln. Angesichts der demografischen Entwicklung, den stetig steigenden medizinischen Möglichkeiten und den damit verbundenen zunehmenden Ansprüchen braucht es neue Lösungsansätze, um die Qualität, den Zugang und die Finanzierung des Schweizer Gesundheitswesens nachhaltig sicherzustellen.

Bei der Festlegung dieser Strategie muss der Fokus auf dem Nutzen für die Patientinnen und Patienten liegen. Eine kohärente Strategie mit konkreten Zielen und Massnahmen kann nur entstehen, wenn alle Akteure des Gesundheitswesens eingebunden sind, den Dialog suchen und konstruktiv zusammenarbeiten. Dazu zählen unter anderem der Bund, die Kantone, die Krankenversicherungen, die Leistungserbringer wie Spitäler, Ärzte, Pflegeheime, Apotheken, die Patientinnen und Patienten sowie die Pharmaindustrie. Dabei sind alle Akteure aufgerufen, sich vom Silo-Denken zu lösen und eine gesamtheitliche Sichtweise zu entwickeln, mit dem übergeordneten Ziel, ein qualitativ hochstehendes und nachhaltiges Gesundheitswesen für die Zukunft sicherzustellen. Deshalb wird es sehr wichtig sein, wieder einen echten Dialog zu führen und Vertrauen zu schaffen.

Ein eher negatives Beispiel ist aktuell leider die Diskussion zur Reformierung der Preisfestsetzung bei Medikamenten. Eine solche ist dringend nötig, weil das heutige System veraltet ist und immer weniger funktioniert. Interpharma präsentiert seit geraumer Zeit konstruktive Vorschläge, dieses System so zu modernisieren, dass es sowohl für die Patientinnen und Patienten, aber auch für die Pharmaunternehmen, die Krankenversicherungen, den Bund und natürlich für die Prämienzahlerinnen und Prämienzahler gangbar und nachhaltig ist. Der Wille zur konstruktiven Mitarbeit vonseiten der Verwaltung ist hier aktuell noch ausbaufähig – es steht zu hoffen, dass sich das ändert.



[1] McKinsey & Company (2021), Digitalisierung im Gesundheitswesen.

[2] Lichtenberg, Frank (2022): The association between pharmaceutical innovation and both premature mortality and hospital utilization in Switzerland, 1996–2019. Swiss Journal of Economics and Statistics (2022), 158:7.

Dr. René P. Buholzer

Geschäftsführer

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