Magnus Carlsen: Der nächste Zug des Schachmeisters nach 20 Jahren an der Spitze
Seit zwei Jahrzehnten ist Magnus Carlsen aus Norwegen nicht nur eine herausragende Figur im Schach, sondern auch eine Berühmtheit, die dieses Spiel auf eine neue Ebene gebracht hat. Schon mit 13 Jahren war er Großmeister, weigerte sich, gegen einen amerikanischen Spieler anzutreten, der Betrugsvorwürfen ausgesetzt war, und eröffnete schließlich den Bereich des Online-Schachs für ein breiteres Publikum. Carlsen hat das geschafft, was nur wenige im Schach erreichen: Er ist ein prominenter Name geworden.
Vergleiche mit Legenden wie dem Russen Garri Kasparow und dem Amerikaner Bobby Fischer sind nicht unüblich, doch Carlsen gilt als noch dominanter. Letzten Monat setzte er sich gegen beide durch und wurde von der FIDE, dem Welt-Schachverband, zum besten Schachspieler aller Zeiten ernannt. Trotzdem ist Carlsens Drang nach weiteren Titeln abgeflaut. Der 33-Jährige will seine Bekanntheit nun dazu nutzen, das Schach zu einem Zuschauererlebnis zu machen.
„Ich befinde mich in einer anderen Phase meiner Karriere“, erklärte Carlsen gegenüber der Associated Press. „Ich bin nicht mehr so ehrgeizig, wenn es um professionelles Schach geht. Ich spiele immer noch gerne, aber das große Verlangen fehlt. Ich spiele aus Liebe zum Spiel.“
Um neue Interaktionsmöglichkeiten zu schaffen, stellte Carlsen am Freitag seine neue App „Take Take Take“ vor. Die Plattform soll Livestreams von Spielen und Spieleranalysen bieten und Matches auf eine zugängliche Weise erklären, die laut Carlsen oft auf Plattformen wie YouTube oder Twitch fehlt. „Es wird eine entspanntere Atmosphäre sein“, meint er.
Im November will Carlsen auf der App Zusammenfassungen und Analysen zur Schachweltmeisterschaft liefern, bei der der chinesische Schachgroßmeister Ding Liren und der Inder Gukesh Dommaraju gegeneinander antreten. Carlsen selbst wird jedoch nicht antreten, da er 2023 freiwillig seinen Titel abgegeben hat.
Mit Schach-Apps hat Carlsen bereits Erfahrung. Seine 2014 gegründete „Play Magnus“-App bot Nutzern die Möglichkeit, gegen eine Schach-Engine anzutreten, die auf seinem Spielstil basiert. Das Unternehmen wuchs rasch zu einem Portfolio an Schach-Anwendungen und wurde 2022 für rund 80 Millionen Dollar von Chess.com, der weltweit größten Schachplattform, übernommen.
Gemeinsam mit Mats Andre Kristiansen, dem CEO seiner Firma Fantasy Chess, verfolgt Carlsen nun das Ziel, eine App zu etablieren, die Casual-Spieler anspricht. Diese sollen die Möglichkeit haben, bestimmten Spielern oder Zügen zu folgen, wichtige Spielphasen zu analysieren und ohne übermäßig komplexe Analysen in die Welt des Schachs einzutauchen. Die App ist zunächst kostenlos, um eine Nutzerbasis aufzubauen, bevor später Einnahmequellen wie Werbung oder tiefere Analysen hinzukommen sollen. „Das kommt später“, so Kristiansen.
Trotz der Innovationen tritt „Take Take Take“ in einem dicht besetzten Markt an, in dem sich bereits Chess.com mit über 100 Millionen Nutzern, YouTube, Twitch und die Website der FIDE etablieren konnten. World Chess, ein weiterer Akteur, erreichte bei der Listung an der Londoner Börse einen Wert von rund 54 Millionen Dollar.
Mit der Verfügbarkeit von Schach-Engines, die jeden menschlichen Spieler schlagen können, ist das Schummeln im Schach einfacher geworden. Doch sie dienen auch dazu, unzählige Stunden Forschung zu verkürzen und Fähigkeiten zu schärfen, die in menschlichen Partien kaum erreichbar wären. „Ich denke, die Partien haben heute eine höhere Qualität, weil die Vorbereitung immer tiefer geht und uns künstliche Intelligenz hilft, das Spiel zu verbessern“, erklärt Carlsen. „Es verändert die Art und Weise, wie wir die Spiele bewerten.“
Zugleich räumt er ein, dass sein eigenes Denken nach zwei Jahrzehnten im Schachgeschäft nicht mehr die gleiche Geschwindigkeit wie früher hat. „Die meisten Menschen haben weniger Energie, wenn sie älter werden. Das Gehirn wird langsamer. Das habe ich schon seit ein paar Jahren bemerkt. Die jüngeren Spieler verarbeiten Informationen einfach schneller.“